Aus der Asche auferstanden
Erinnern an die Reichspogromnacht 1938 in Dortmund
Vom 31. Oktober bis 26. November 2023 sind in der Dortmunder Stadtkirche Sankt Petri Zeichnungen der 1938 in ganz Deutschland zerstörten Synagogen zu sehen. Die Dortmunder Künstlerin Olga Krakovyak hat 58 der ganz unterschiedlichen und beeindruckenden Bauwerke in Tusche wieder auferstehen lassen. Der verkohlte Rand des Papiers erinnert dabei an ihre Zerstörung im Nationalsozialismus. Die Werke veranschaulichen einerseits die Vielfalt der jüdischen Gemeinden vor der Shoah und andererseits den Schrecken ihrer Vernichtung und bewahren die Synagogen vor dem Vergessen. Die Ausstellung wurde von Sankt Petri und der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit Dortmund e.V. (GCJZ) realisiert und kann zu den Öffnungszeiten der Kirche besucht werden. Begleitet wird sie vom Ökumenischen Gedenken am 9. November sowie einer Finissage am 22. November.
Das diesjährige Ökumenische Gedenken am 9. November um 19 Uhr wird maßgeblich von Schülerinnen und Schülern des Käthe-Kollwitz-Gymnasiums gestaltet. Hierfür haben sie sich im Religionsunterricht intensiv mit den Ereignissen am und um den 9. November 1938 in Dortmund beschäftigt. So bekannt der Antisemitismus und anti-jüdische Terror der Nationalsozialisten ist im Allgemeinen ist, so unbekannt sind bisweilen die Ereignisse in der eigenen Stadt, im eigenen Stadtteil. Dieses Wissen ist zwar vorhanden, muss jedoch immer wieder neu angeeignet werden. „Die Ereignisse der Pogromnacht sind kaum in Worte zu fassen, denn mit welcher Selbstverständlichkeit Synagogen zerstört und jüdische Menschen abtransportiert wurden, ist unvorstellbar“, so eine Schülerin der Jahrgangsstufe 12. Und ein Mitschüler ergänzt: „Es hat mich schockiert, wie die Menschen aus verschiedenen Stadtteilen Dortmunds in dieser Nacht ihre Vorurteile und ihren Hass auf jüdische Mitbürger herausgelassen haben.“ Der aktuelle Terror der Hamas gegen Israel, antijüdische Ausschreitungen wie in Dagestan oder Anfeindungen und judenfeindliche Graffiti in Dortmund zeigen, dass die Ereignisse von damals nicht nur historisch bedeutsam sind, sondern gerade für die Gegenwart. Oder wie es ein Schüler formuliert: „Es ist wichtig, sich an solche Ereignisse zu erinnern, um sicherzustellen, dass sie sich nie wiederholen, und sich für eine tolerantere und respektvollere Welt einzusetzen.“ Musikalisch begleitet wird das Gedenken von Emanuel Matz auf dem Cello.
Bei der Finissage am 22. November ab 18 Uhr wird die Künstlerin Olga Krakovyak anwesend sein und von der Entstehung der Bilderserie berichten. Die gebürtige Ukrainerin kam Ende der 1990er Jahre nach Deutschland und studierte an der Kunstakademie Wetter/Ruhr, wo sie inzwischen auch als Dozentin arbeitet. Daneben unterrichtet sie auch in der Volkshochschule Dortmund. Einzelausstellungen von ihr waren bereits in Dortmund, in Gevelsberg, Fröndenberg und Castrop-Rauxel zu sehen. Die wieder Sichtbarmachung der aus den Stadtbildern verschwundenen Synagogen begleitet die Künstlerin nun schon mehrere Jahre. Die besondere Wirkung der Bilder entsteht auch dadurch, dass sie an Nylonfäden aufgehängt sind und dadurch frei im Raum zu schweben scheinen. Dies symbolisiere für sie die Fragilität der ja eigentlich massiven Bauwerke, zerstört von Antisemitismus, Hass und Gleichgültigkeit, so die Künstlerin. Im Anschluss wird die Dortmunder Sprecherin, Sängerin und Schauspielerin Tirzah Haase Augenzeugenberichte aus Dortmund vorlesen, die in Uwe Bitzels Buch „Damit kein Gras darüber wächst. Ereignisse um die Pogromnacht 1938 in Dortmund“ (1988) sowie im maßgeblich von Rolf Fischer verantworteten Gedenkbuch „Verfolgung und Vernichtung. Die Dortmunder Opfer der Shoah“ (2015) dokumentiert sind. Was mit sozialer Ausgrenzung und Herabsetzung begann, gipfelte 1938, neben der Zerstörung der Synagogen (in Dortmund in der Innenstadt, in Dorstfeld und Hörde), in Plünderungen von Geschäften und Privatwohnungen, Gewalt und Deportationen, auch hier in Dortmund.
© Olga Krakovyak